#1

Frage zum Stellenwert von Diagnosen und "Spezifika"

in Allgemeines zur Homöopathie 24.08.2015 20:40
von salomelibertin | 107 Beiträge | 880 Punkte

Hallo, ich habe Folgendes in einem Beitrag von Ilse gefunden:

"Es gibt doch diesen bekannten Fall von Burnett: Er behandelte ein Mädchen mit Epilepsie. Er gab ihr Belladonna mit guter Wirkung. Dann wieder ein Anfall und wieder half Belladonna und so ging es weiter. Aber irgendwann starb das Mädchen. Bei der Obduktion wurden Tuberkel gefunden. Burnett sprach von einem "Haltepunkt" des Mittels, will heißen, dass es nicht die Macht hatte, die eigentliche Ursache der Epilepsie zu erfassen. Belladonna deckt zwar die Anfallssymptomatik ab, kann aber keine tuberkuloseähnlichen Krankheitserscheinungen hervorrufen und sie folglich auch nicht heilen"

Und jetzt meine Irritation zur "Diagnostik". Ich habe immer wieder den Eindruck gewonnen, das Diagnosen ziemlich zweitrangig für die hom. Beh. sind, da man ja symptomatisch vorgeht. HIn und wieder findet man aber in der Literatur solch einen o.g. Fall. Oder es gibt Fälle, bei denen der Behandler Veratrum viride oder Spong. gegeben hat und die Heilung dann doch tödlich endete weil er z.B. das schwache Herz übersehen hatte.
Also rein symptomatisch scheint nicht die absolute letzte Wahrheit zu sein. Aber welchen Stellenwert muss man dann der Diagnose geben? Und soll man tatsächlich eine Diagnose behandeln die keine Symptome verursacht? Löst man damit u.U. nicht die Symptome aus, da das Mittel ja die entsprechenden Symptome hat?

Und ebenso oft wird geschrieben .."dass x als Spezifikum" angesehen werden kann. Z.B. Drosera nach kalter Nässe mit daraus resultierendem Husten. Genau das habe ich bei einer Tochter nach solchem Vorkommnis ausprobiert, denn sie hatte postwendend nach dem im Bach spielen bei kühlem Wetter schwer Husten mit Pseudokrupp. Aber es hat nicht geholfen. In der nächsten Nacht, als sie wieder Todesangst hatte, hat Aconit gelindert. Aber weder Stridor und Art des Hustens haben beim Repertorisieren Acon. ergeben. Husten- ergab Pulsatilla und Atembeschwerden und Lage ergaben Arsen. Gemüt ergab Aconit.
Wenn die Kausa wichtig ist, so hat sie als 5 Mon. alter und tief schlafender Säugling im Hochsommer auf einem Fest von einem fremden Vater aus Vesehen einen Eimer eiskaltes Wasser übergeleert bekommen. Seitdem hat sie bei jeder Gelegenheit Lungen oder Brustfellentzündung und ein ehr tuberkulinisches Wesen. In dem Fall müsste Sie meiner Recherche nach irgendwann mal mit Bellis behandelt werden. Das tat ich bislang nicht, aus Respekt vor meiner Homöopathin.
Wenn die direkte Kausa (akut nass-kalt) nicht zieht, hat dann die Ur-Kausa einen anderen Stellenwert?
Warum hat sich das Drosera-Versprechen nicht eingelöst? Kann das sein, dass in solchen Fällen andere Potenzen (z.B. D - Potenzen ) gegeben werden müssen?
Wie sind Eure Erfahrungen mit kausalen Verordnungen abgesehen von Arnica? Was denkt Ihr zum Stellenwert von Diagnosen?

Hoffe sehr, einige Antworten lesen zu können!
Liebe Grüße!

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#2

RE: Frage zum Stellenwert von Diagnosen und "Spezifika"

in Allgemeines zur Homöopathie 25.08.2015 11:32
von homöoslave | 811 Beiträge | 5015 Punkte

Hallo

puh - nicht einfach zu beantworten deine Fragen.

Natürlich muß man auch schulmedizinische Diagnosen berücksichtigen

Hier zitiere ich von der Webside der Homöopathischen Ärzte:

..der homöopathische Arzt
• analysiert schulmedizinisch, um welche Krankheit könnte es sich handeln, was ist noch genauer (evtl. fachärztlich) zu diagnostizieren, welche Komplikationen können drohen, welche Prognose hat die Krankheit entsprechend schulmedizinischer Kenntnis, welche Patientensymptome sind in erster Linie pathognomonisch für eine bestimmte Krankheit, welche allopathische Therapie käme in Frage oder welche Symptome sind Nebenwirkungen einer bereits durchgeführten schulmedizinischen Behandlung?


Es ist wichtig gerade auch pathognomische - also für die entsprechende Krankheit nicht außergewöhnliche Symptome zu erkennen.
Das wird in unserer modernen Zeit immer schwieriger - den immer mehr Symptome, die nach §152 Organon -auffallend, sonderlich
ungewöhnlich eigenheitlich und charakteristisch waren - lassen sich in der heutigen Zeit schulmedizinisch erklären.

so oder so ist eine schulmedizinische Diagnose - auch z.B. Laborwerte nicht ganz außer Acht zu lassen.
Sei es auch nur um den Schweregrad einer Erkrankung zu beurteilen und zu erkennen ob diese überhaupt homöopathisch heilbar ist oder ob ich bestenfalls nur palliativ behandeln kann.(Hätte es Burnett in Deinem Beispiel genutzt wenn er von den Tuberkel gewusst hätte???)

Fazit (für mich) : bei der Findung des richtigen Mittels gilt der § 153 als wichtigster Leitsatz.
Pathognomische Symptome - also auch die Schulmedizinische Diagnose - habe ich persönlich immer im Hinterkopf

zu Spezifika - sind Arzneimittel bei denen die Erfahrung gezeigt hat dass sie oft bei bestimmten Krankheitsbildern angezeigt sind.
Das erspart nicht die Symptomenlage zu erfassen und diese zu berücksichtigen

Ich freue mich auf weitere Beiträge von Kollegen hier im Forum


Liebe Grüße

Bernd


Sickness is like a Sitar, whose correct tuning has been disturbed.Naturally, all the notes from the Sitar will be far from melodious. There is no use trying to correct the individual notes. It is the disturbance in tuning itself which has to be corrected (Rajan Sankaran)

zuletzt bearbeitet 25.08.2015 20:15 | nach oben springen

#3

RE: Frage zum Stellenwert von Diagnosen und "Spezifika"

in Allgemeines zur Homöopathie 25.08.2015 22:03
von ilse • Administratorin | 2.712 Beiträge | 11512 Punkte

Der Burnett-Fall ist ja ein gutes Beispiel dafür, wie es in die Hose gehen kann, wenn man sich nur auf die offensichtlichen Symptome stützt, ohne zu verstehen, was da eigentlich abläuft (siehe Hahnemann: "Krankheitsverständnis"). Man muss sich ja wundern, warum dieser geniale Homöopath nicht schon früher Belladonna abgesetzt hat. Wenn es immer wieder Rückfälle gibt, ist das doch ein Zeichen, dass die Arznei den wahren Krankheitsprozess nicht erfasst.
Klar, damals gab es noch nicht die klinischen Diagnostik, die wir heute haben, aber er hätte z. B. mal in der Familie forschen können, welche Krankheiten es da gab oder gegeben hatte - vielleicht wäre er da auf eine tuberkulinische Belastung gekommen. Dass bei Tuberkulose epileptische Anfälle auftreten können, müsste damals schon bekannt gewesen sein.

Klar, bei einer banalen Krankheit wie z. B. Husten, Schnupfen wird niemand gleich die Familiengeschichte ("Miasmatik") des Patienten erforschen, aber wenn so was Banales immer wieder auftritt, kann es nicht schaden, wenn man mal die Krankheiten in der Familie abfragt. Denn es kann sein, dass man dann auf ein ererbtes Leiden, eine Veranlagung stößt - und dadurch möglicherweise die Symptome/Krankheiten der Vorfahren des Patienten zur Mittelfindung mit heranziehen kann.

Re: Medizinische Diagnostik - wenn man Homöopath ist, muss man sich auch mit Krankheiten auskennen, zumindest typische Symptome kennen und erkennen, einfache Untersuchungen vornehmen, das lernt man ja auch in der Ausbildung, aber man muss auch wissen, was im Inneren los ist (speziell wenn das gegebene Mittel zwar zu den erkennbaren Symptomen passt, aber nur oberflächlich oder gar nicht wirkt, siehe Burnett) und man muss bei inneren Erkrankungen auch die Wirkung des hom. Mittels kontrollieren können (Verlaufskontrolle) und das geht halt nur über Apparatemedizin. Es nutzt ja nix, wenn der Patient nach Mittelgabe bessere Laune, weniger Schmerzen und keine Hühneraugen mehr hat :), und am Tumor tut sich nichts.

"Also rein symptomatisch scheint nicht die absolute letzte Wahrheit zu sein."
Das darf man jetzt nicht durcheinanderwerfen. Die homöopathische Behandlung - die Mittelwahl - erfolgt nach der individuellen Symptomatik, nicht nach dem medizinischen Befund! Ich versuche mal ein Beispiel:

Ein Ehepaar sitzt vor der Glotze. Plötzlich sagt der Mann: "Du, Gerda, ich sehe von Markus Lanz nur noch die untere Hälfte, mir ist ganz schwindlig, mach mal das Fenster auf, die Luft hier drin ist so schlecht."

Die medizinische Diagnose dieses Zustands ist ziemlich einfach: Schlaganfall.
Die homöopathische Diagnose ist: Sehen gestört, sieht nur die untere Hälfte/Verlangen frische Luft. Aurum. Ab ins Krankenhaus.

"Und soll man tatsächlich eine Diagnose behandeln die keine Symptome verursacht? Löst man damit u.U. nicht die Symptome aus, da das Mittel ja die entsprechenden Symptome hat?"

Wenn du gar keine Symptome hast, kannst du homöopathisch höchstens mit einer Tiefpotenz unterstützen, z. B. bei alten Leuten oder überhaupt in Endstadien das Herz, die Leber, zur Entwässerung etc.

"Z.B. Drosera nach kalter Nässe mit daraus resultierendem Husten."
Mhm, Drosera ist mir da gar nicht so präsent. Ich hätte bei der Causa spontan an Dulcamara gedacht - Husten nach Kälte/speziell auch, wenn die Kleinen im Sommer kein Ende beim draußen Planschen finden und bis abends draußen bleiben wollen.

"Aber weder Stridor und Art des Hustens haben beim Repertorisieren Acon. ergeben."
Aber immerhin: Aconit steht hochwertig in der Rubrik Larynx und Trachea, Pseudokrupp.
So, das muss erst mal reichen für heute.
LG ilse
Hätte ich mal lieber das Komfort-Antwort-Fenster genommen ...


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